Das CERT (extended Edition)

Heute ist das sogenannte CERT, das Chaos Emergency Response Team, ganz selbstverständlich für die Menschen auf Chaosveranstaltungen der erste Ansprechpartner bei allen medizinischen Problemen, ausserdem zuständig für Brandschutz, Fluchtwegsicherheit und gerne auch mal für lose Kabel oder ähnliches. Als Chaos Emergency Response Team sind wir eben für alle Notfälle des Congress da. Da wir als kritische Infrastruktur der Veranstaltung auch nach aussen, gegenüber der Feuerwehr und der Stadt die Einhaltung der jeweiligen Auflagen sicherstellen müssen, ist die Arbeit nicht ganz so frei wie in anderen Engelteams. Aber wie kam es eigentlich dazu und was macht dieses Team überhaupt?

Wenn sich viele Menschen an einem Ort treffen, besteht die Gefahr, dass sie sich verletzen. Besonders gilt das wenn Lötkolben, Cuttermesser, Gabelstapler oder eventuell sogar selbstfahrende Möbelstücke im Spiel sind. Also für Chaos-Events. Um die dabei entstehenden Verletzungen muss sich jemand kümmern. Und wie das im Chaos immer so ist, wird etwas, das noch nicht da ist, schnell erfunden. Ab 1997, also bereits vor der offiziellen Gründung, übernahmen Fox (aka SaniFox) und ein paar andere von der Chaoswelle auf Chaosveranstaltungen freiwillig die Versorgung von Verletzungen und anderen medizinischen Problemen der Teilnehmer. Aufgrund des größeren Einsatzgeschehens entschied er sich, sich diesem ab 2001 gemeinsam mit einem kleinen Team zu stellen. Beim 19C3 entstand dann das CERT. Das anfangs noch lose organisierte Team wurde daher immer professioneller und übernahm mehr und mehr die Aufgaben der medizinischen und technischen Sicherheit auf den Chaosevents. Schließlich setzten die immer größeren Veranstaltungen des CCC (letzter Congress mit 18.000 Besuchern) irgendwann sogar verpflichtend einen Sanitätsdienst voraus. Und den übernimmt natürlich das CERT. Unsere Hauptaufgabe liegt also in der Erstversorgung medizinischer Notfälle. Desweiteren sorgen wir für den Brandschutz, dafür dass die Rettungswege frei bleiben und die Notausgänge nicht blockiert werden, oder finden auch mal Lösungen für ganz andere Probleme. Quasi eine Meta-Hilfsorganisation im Chaos.

Damit das alles klappt sind wir heute in 3 Bereichen organisiert:

Die Medical Unit:

Eigentlich gibt es die CERT Medical Unit schon länger als das CERT selbst. Denn wie ihr grade erfahren habt, war unser Ursprung ein kleines Freiwilligenteam der Chaoswelle für die medizinischen Notfälle im Chaos. Die Medical-Angel des CERT waren also von Anfang an dabei. Nach und nach wurden die Einsätze mehr, die kleine Gruppe größer. Westen und ein Rucksack wurden beschaftt und auf Congress und Camp eine Sanitätsstation eingerichtet. Spätestens mit dem Umzug nach Hamburg zum 29c3 und der stark gewachsenen Teilnehmerzahl wurde aber eine deutlichere Struktur nötig. Material musste sortiert und gepackt und Schichten besser geplantwerden, also hat sich das Team an die Arbeit gemacht und die Medical Unit ist mit dem Congress gewachsen. Das war dann auch bitter nötig, denn auf dem 31c3 passierte schließlich das, was keiner je erleben möchte. Es kam zu einer massiven Häufung von Durchfallerkrankungen auf dem Congress. Jetzt war es an der Zeit, dass das CERT zeigen musste, dass das, was über Jahre hinweg aufgebaut wurde auch wirklich performt. Und es hat performt. Innerhalb von 30 Minuten hatten unsere Disponenten nicht mehr sechs arbeitende Engel in der Schicht, sondern 30. Ein ganzer Flur des CCH verwandelte sich in ein Behelfslazarett und ein kleiner Saal wurde zum Zentrum für alle CERT-Engel, die nicht unmittelbar an den Patienten arbeiteten. Die Nacht wurde durchgestanden, und etwa 24 Stunden später war auch der letzte Patient entlassen. Die CERT Medical Unit hatte ihre Bewährungsprobe bestanden. Um der weiteren Entwicklung Rechnung zu tragen, wurde danach weiteres Material beschafft und auch weiter überlegt, was man noch verbessern kann. Zum 33C3 kam dann zu den bisherigen Engeltypen noch ein weiterer hinzu: Die Paramedics waren geboren. Ab jetzt gab es in jeder Schicht mindestens einen Engel aus dieser Klasse, der den Ärzten ein wenig den Rücken freihielt. Inzwischen stellt das CERT auf den mittleren und größeren Chaos-Veranstaltungen die medizinische Hilfe, von kleineren Wehwehchen bis zu echten Notfällen. In unserer Nerd-aufnahme haben wir dazu nicht nur Sitz- und Liegeplätze für unsere Patienten, sondern von AEDs über Einhorn-Pflaster bis hin zu Verbandpäckchen haben wir immer das Material da, das wir grade brauchen. Je nach Lage und örtlichen Gegebenheiten steht dem CERT zum Transport der Patienten auf dem Gelände der Veranstaltung sogar ein RTW oder KTW zur Verfügung, wie etwa auf dem Chaos Communication Camp 2003 in Berlin oder bei den Camps in Mildenberg. Trotzdem können wir natürlich nicht jedem vor Ort bei uns helfen. Wenn es nötig ist, schicken wir unsere Patienten also auch mal weiter zu einem niedergelassenen Arzt, direkt ins Krankenhaus, oder rufen den jeweiligen lokalen Rettungsdienst, der den Patienten dann in die Notaufnahme bringt. Aufgrund der rechtlichen Lage in Deutschland dürfen wir selber keine solchen Transporte durchführen. Zum Glück ist das aber auch nur sehr selten nötig. Insgesamt entwickelt sich unser Medical Team immer weiter. Vorträge im CERT, neue Entwicklungen in der Medizin, oder auch mal ein altes Sono-Gerät zum ausprobieren, es gibt immer was zu lernen. Voneinander und miteinander. Wir wünschen uns, dass es noch lange so weiter geht.

Das Technical Unit

In der Technical Unit sind alle Engel gruppiert, die eine technische Ausbildung haben, zum Beispiel bei der Feuerwehr, dem THW, oder auch als Sicherheitsingenieur. Für das CERT erledigen diese Engel den Teil des Brandschutz und der technischen Sicherheit. Der Bereich war im Ursprung des CERT sehr stark (Nerds und Technik), und wächst mit den neuen Anforderungen nun wieder zunehmend. Angefangen hat die Technical Unit mit dem Brandschutz auf kleineren Veranstaltungen und einem Feuerlöscher. Um auch auf größeren Geländen zurecht zu kommen, wurde schnell ein improvisiertes Löschfahrzeug erfunden: Eine kleine Benzinpumpe förderte dabei Wasser aus einem 1000l Tank. Das war gedacht um den Erstangriff und kleinere Brände aus eigener Kraft bewältigen zu können. Heute wird das System allerdings aufgrund rechtlicher Beschränkungen nicht mehr eingesetzt. Eben jene rechtlichen Bedingungen führten aber auch dazu, dass die Technical Unit heute wieder wächst: Events brauchen inzwischen regelmäßig Brandsicherheitswachen, und Menschen, die ein Auge auf die Fluchtwege haben. Und natürlich sollten auch von Stromleitungen und spontan zusammengehackten Geräten keine größeren Gefahren ausgehen. Das alles ist heute Aufgabe unserer Technical-Angels. Sie kümmern sich darum, dass Unfälle möglichst gar nicht erst passieren können und sind dabei stets mit Gaffa und einer Rolle Flatterband bewaffnet. Sie behalten die eventuell brandgefährlichen Stellen im Auge und sorgen so dafür, dass ein Event überhaupt stattfinden darf. Und wenn doch mal ein Mülleimer brennt, wird er eben gelöscht. Je nach Veranstaltung und Menschenzahl kann die Unit mit eigenen Kräften agieren oder wir holen uns passende "Nerd-Kompatible" Unterstützung. Bei den Camps in Mildenberg wurde zum Beispiel eine Feuerwehrfirma engagiert und damit auf ein geländegängiges Tanklöschfahrzeug nach DIN zurückgegriffen.

Die Support Unit

Im Jahr 2005 war es mal wieder so weit: Congress. Da der aber im Winter stattfindet und es in dem Jahr recht kalt war, ergab sich die Problematik langer Schlangen von Menschen die in der Kälte ausserhalb der Gebäude auf irgendetwas warteten. Um zu verhindern, dass diese Nerds Patienten des CERT werden, wurde die Support-Unit geschaffen. Elchbulle war Ursprung dieser Idee und begann, heissen Tee an Wartende zu verteilen. Der Grundstein war gelegt und im Laufe der Zeit fanden sich immer wieder Gelegenheiten und Aufgaben zu erledigen, bei denen es gar nicht so sehr um Blut oder Feuer ging, als mehr um die Fürsorge. Für die Chaos-Teilnehmer, und natürlich auch für die CERT-Engel selbst. Aufgrund verbesserter Kassenschlangen und anderer Dinge geriet die Support Unit leider ein wenig in Vergessenheit, aber der Bedarf war immer wieder da und so ging sie nie ganz verloren. Spätestens seit dem CCCamp2019 hat sich nun unter Leitung von mrm2m mit "CERT Food and Logistics" diese weitere Untereinheit im CERT dauerhaft etabliert. Praktisch erfüllt Food and Logistics für das CERT heute Funktionen des LOC und der Engelküche und ist damit ein wertvoller Beitrag für die Moral und Einsatzfähigkeit des CERT.

Dispatcher

Damit das auch alles zusammen funktioniert, muss einer den Überblick behalten und gerade auf grösseren Veranstaltungen kommt man um eine Führungsstelle vor Ort nicht herum. Im CERT haben wir dafür unsere sogenannten Disponenten oder Dispatcher. Das sind die verantwortlichen Engel einer Schicht, unsere Führungskräfte. Aufgrund der Vorschriften für Sanitätsdienste dürfen diese Position bei uns nur ausgebildete Gruppenführer oder höher ausgebildete Führungskräfte übernehmen. Ebenso sind uns einige Jahre Erfahrung im CERT wichtig. Der Dispatcher ist die erste Anlaufstelle für alle Congressteilnehmer, die den CERT-Notruf wählen, und ebenso der Ansprechpartner für alle CERT-Engel die Fragen haben. Bei Einsätzen ist er die verantwortliche Führungskraft. Die Disponenten, insbesondere die diensthabende Disponentin, sind das zentrale Bindeglied im CERT. Die Disponentin kommuniziert und koordiniert die Laufschichten, ist Ansprechpartnerin für die Raumschicht, bedient den Funk und das Telefon etc. Kurz gesagt: Ohne den Dispatcher läuft nichts.